Netflix und ver.di vereinbaren Mindestgagen für deutsche Serienproduktionen

25. Juli 2022

 

Was ist passiert?

  • Ver.di und Netflix haben vereinbart: Ab 1. Juli 2022 macht Netflix den TV FFS plus Mindestgagentabelle zur formellen Grundlage bei Serienproduktionen in Deutschland.
  • Netflix gewährt Filmschaffenden mit mindestens fünf Jahren Berufserfahrung einen Aufschlag auf die Mindestgagen der bestehenden Gagentabelle: 5% bei Folgenbudgets über 1.2 Mio. sowie 7.5% bei Folgenbudgets über 2,5 Mio.

Des Weiteren verabreden Ver.di und Netflix, bei Serienproduktionen einen Qualifikations-Dialog einzurichten, um gemeinsam dem Fachkräftemangel zu begegnen - sowie Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten mit Produktionspartnern zu schaffen. Es soll ein Gesamtpaket aus Vergütungen und Arbeitsbedingungen mit Netflix entwickelt werden - und ver.di schreibt: “Die Filmschaffenden in ver.di profitieren von diesen kollektivrechtlichen Verbesserungen und der globalen Verbreitung der hierzulande produzierten Serien“.

Dazu haben die Verbände der Regie und Kinematografie Stellung bezogen:

Der Vorstand des Bundesverbands Regie (BVR) bemängelt die Vorgehensweise von ver.di, die ein unscheinbar kleines minoritäres Grüppchen repräsentiert und meint, ohne Rücksprache mit dem BVR auch für die gesamte Abteilung Regie in Deutschland abgeschlossen zu haben.

Des Weiteren spricht sich der Vorstand des BVR gegen die Zwangseingliederung in das damit verbundene Folgevergütungssystem aus, welches über die Deska (Deutsche Schauspielkasse) abgewickelt werden soll, die dem Schauspielerverband gehört, der Teil der Verhandlung war/ist und sich über die hauseigene Deska die Verteilung überproportional bezahlen läßt.  

Der BVK (Berufsverband Kinematografie) schreibt, ver.di untergrabe durch diese Regelung mit einem hochwertig produzierenden Streaminganbieter das Gagengefüge in Markt - und spricht sich ebenfalls gegen die Bevormundung durch die im Bereich des freien Film- und Fernsehmarktes nicht repräsentative Gewerkschaft ver.di aus. Die neuerlichen Regelungen, die mit Netflix ohne Beteiligung der Berufsverbände eingetütet wurden, bezeichnet der BVK als anmaßend, übergriffig und realitätsfremd.

Die Berufsverbände nehmen auch Bezug auf den ver.di-Alleingang 2020, bei dem hinter verschlossenen Türen und unter Ausschluß der maßgeblichen Verbände mit Netflix eine “Gemeinsame Vergütungsregel" beschlossen wurde, nach welcher die Berechtigten erst bei exzessiver Nutzung überhaupt an den Erlösen beteiligt werden. Diese Regelung sei weder fair noch angemessen. Auch wird darauf hingewiesen, daß Netflix seine Produktion in Dänemark erst vor wenigen Wochen komplett eingestellt hat, weil die dortigen vereinbarten Vergütungsregelungen zwischen Produzenten und Filmschaffenden den deutlich niedrigeren Vorstellungen von Netflix nicht entsprochen haben.

Bei der nun zwischen ver.di und Netflix vereinbarten Geltung des in der Inflation gänzlich überholten Tarifvertrags für Film- und Fernsehschaffende als Bezugsgröße, die unter Ausschluß der betroffenen Verbände vereinbart wurde und das Marktniveau unterläuft, sieht der BVK Filmschaffende in ihrer freien Gegengestalltung erheblich eingeschränkt - ausgerechnet mit dem US-Streaming-Giganten.

Wir werden weiter berichten.